Gelegentlich begegnet man der Behauptung, aus gewissen Voraussetzungen folge logisch ein bestimmter Schlußsatz, muß dann aber feststellen, daß der beanspruchte Folgerungszusammenhang tatsächlich gar nicht besteht. So kann es einem etwa bei Diskussionen ergehen, bei der Prüfung juristischer Entscheidungsbegründungen, bei der Analyse scholastischer Argumentationen, aber auch bei dem Studium mathematischer Beweise.
Da man sich im Alltag - auch im wissenschaftlichen - fragmentarisch auszudrücken pflegt, also selbstverständlich erscheinende Voraussetzungen und Beweisschritte einfach wegläßt, gibt diese Beobachtung keinen Anlaß zur Beunruhigung. Unter Umständen kann es jedoch interessant sein, einen solchen lückenhaften Gedankengang, ein sog. Enthymen, zu einem vollständigen Beweis zu ergänzen, d.h. hier: weitere Voraussetzungen aufsuchen, mit deren und der ursprünglichen Prämissen Hilfe die betreffende Konklusion dann tatsächlich beweisbar wird.
Dieses Vorgehen nennen wir den ,,Rückschluß auf verborgene bzw. verschwiegene Prämissen``1.
Dabei wird man sich nicht mit irgendeinem beliebigen System von Prämissen begnügen, die das Gewünschte leisten, sondern wird nach logisch möglichst schwachen Annahmen suchen, also solchen, die in einem später noch genauer zu umgrenzenden Sinne ,,minimal`` sind.
Etwas technischer ausgedrückt:
Gegeben sei ein beliebiger Kalkül K (eine kalkülisierte bzw. formalisierte
Theorie o.ä.) sowie die Tatsache, daß aus einem System von
Kalkülausdrücken zusammen mit einem weiteren solchen System
ein anderes System von Ausdrücken
beweisbar ist; in Zeichen:
Im einfachsten Fall vertreten und
jeweils einen einzigen Ausdruck.
Hierbei seien und
bekannt,
sei ,,unbekannt`` und damit
,,gesucht``.
sollte - von trivialen Sonderfällen abgesehen - nicht aus
alleine folgen, d.h. zur Ableitung von
sollte
i.a.
tatsächlich mitbenutzt werden3. Das Verhältnis von
und
ist beliebig.