In diesem Kapitel wurde eine rein formale Unterscheidung zwischen
nicht-logischen und logischen Kalkülen verwendet. Nicht-logische Kalküle sind
gekennzeichnet durch eine strikte Trennung zwischen Formeln und Termen, zwischen
Beziehungszeichen und Verknüpfungszeichen. Die Mengenlehre ist eine Anwendung
eines nicht-logischen Booleschen Verbandes, denn wenn
und
Mengen sind,
dann ist
keine Menge, sondern eine Teilmengenbeziehung, die
nicht wieder als Menge interpretiert werden kann. Die Mengenlehre läßt sich
daher in den Bereich der Kalküle BV
bzw. BV
einordnen.
Logische Kalküle sind dadurch gekennzeichnet, daß Formeln wie Terme behandelt
werden dürfen, d.h. daß Beziehungszeichen auch Verknüpfungszeichen sind.
Das erlaubt in diesen Kalkülen Ausdrücke der Form
.
Dieses macht Sinn, denn eine Beziehung zwischen zwei Begriffen
kann als ein Beziehungsbegriff interpretiert werden, ist damit wieder ein
Begriff, und eine Implikation zwischen zwei Urteilen ist wiederum ein Urteil.
Der Kalkül BL ist eine einfache Variante eines logisch interpretierten
Booleschen Verbandes, denn er erweitert nur die Möglichkeiten der formalen
Sprache gegenüber dem nicht-logischen Booleschen Verband, nicht jedoch die
Axiomatik. Erst der Kalkül BL
erweitert dann auch die Axiomatik,
indem er eine Verbindung zwischen der Unterordnung und der Ableitungsbeziehung
herstellt. Im Kalkül BL
ist dann auch bereits ein
Verknüpfungszeichen zum Beziehungszeichen geworden, nämlich die Negation. Die
Urteilslogik (hier Aussagenlogik), eine spezielle Begriffslogik durch
Hinzufügung des Urteilsprinzips als weiteres Axiom, ist dadurch gekennzeichnet,
daß dort alle Verknüpfungszeichen auch zu Beziehungszeichen geworden sind,
bzw. daß alle Terme auch wie Formeln behandelt werden dürfen. Das erlaubt
Formeln der Form ,,
`` oder ,,
``, die alleinstehend in der
Begriffslogik im allgemeinen keinen Sinn ergeben.
Die Venn-Diagramme stehen irgendwo neben dieser Kalkülhierachie. Einerseits
basieren sie auf dem Kalkül BV
,
andererseits verfügen sie
mittels der Sternung über die Möglichkeit der Behandlung negierter
Unterordnungen. Die Venn-Diagramme bieten keine Möglichkeit, Beziehungsbegriffe
zu behandeln, weshalb die Anwendung der Diagramme auf den Kalkül BL auf eine
logische Interpretation des Kalküls BV
beschränkt bleibt. Aus
dem Kalkül BV
läßt sich jedoch der Kalkül BV
bzw. BV
entwickeln, der als zusätzliche
Axiome die mittels inkonsistenter Triade bzw. Kontraposition veränderten
Grundregeln des Kalküls BL enthält. Dieser Kalkül entspricht ziemlich genau
den Möglichkeiten der Venn-Diagramme. Der Kalkül BL
bietet
ebenfalls die negierte Unterordnung, überschreitet jedoch die Möglichkeiten
von BV
.
Die Aussagenlogik ist wiederum eine Spezialisierung des Kalküls BL
zu BL
,
nämlich durch Hinzufügung des Urteilsprinzips. Wird
dieses Prinzip vom Nutzer der Diagramme von Hand angewendet, so kann auch die
Aussagenlogik in Venn-Diagrammen behandelt werden. Durch die Äquivalenz von
,,Formeln`` und ,,Termen`` ist auch wieder die gesamte Behandlung des formalen
Sprachaparates möglich, denn geschachtelte Implikationen können in einfache
Implikationen überführt werden. Auch dieses hat durch den Nutzer der Diagramme
zu erfolgen.
Denkbar ist auch ein gemischter Begriffs- und Urteilslogischer Kalkül, in dem
das Urteilsprinzip nur auf Beziehungsbegriffe angewendet werden darf. Dieser
Kalkül, genannt BL
,
ist eine Synthese von Begriffs- und
Urteilslogik.
Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Venn-Diagramme eine brauchbare Methode darstellen, den Bereich der Booleschen Verbände zu bearbeiten. Den Mangel in der Behandlung von Beziehungsbegriffen in der Begriffslogik kann man verschmerzen, denn die ,,klassische`` Begriffslogik bietet eigentlich keine formalen Mittel an, solche Ausdrücke auch nur geeignet aufzuschreiben, geschweigedenn zu behandeln.
Ganz deutlich sei hier auch noch einmal daraufhingewiesen, daß mit Venn-Diagrammen allgemeine, d.h. nicht etwa nur zweiwertige, Boolesche Verbände behandelt werden können. Es ist eine beliebte Geisteshaltung, Boolesche Verbände auf zweiwertige zu beschränken.