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7.1 Integration von Individualbegriffen


Die bisher betrachteten Begriffe in der Begriffslogik waren Allgemeinbegriffe. Es ist jedoch möglich noch weitere spezielle Begriffstypen einzuführen. Der bekannteste Typ ist der Individualbegriff. Er repräsentiert Individuen in der Begriffslogik. Was ist überhaupt ein Individuum ?


Ein Individuum, sei es nun als existierend gedacht oder aber real existierend, ist etwas einzigartiges, etwas Unteilbares. Es ist genau eines und es existiert in einem wie auch immer gearteten Sinne. Individualbegriffe machen die Individuen der Begriffslogik zugänglich.

Welche Beziehungen bestehen zwischen einem Individuum ${\cal A}$ und dem es repräsentierenden Individualbegriff $a^{I}$ ? Wenn ein Individuum teilhat ($\ll$) an einem Allgemeinbegriff (teilhaben in dem Sinne, daß die Eigenschaften, die durch den Allgemeinbegriff beschrieben werden, auf das Individuum zutreffen), dann ist der dem Individuum zugeordnete Individualbegriff Art des Allgemeinbegriffes, und umgekehrt:


\begin{displaymath}{\cal A} \ll b ~ \dashv\vdash ~ a^{I} \leq b\end{displaymath}

Hieraus läßt sich z.B. folgern: ${\cal A} \ll a^{I}$, aber auch ${\cal A} \ll
b, b \leq c ~ \vdash ~ {\cal A} \ll c$. Desweiteren ist jedem Individuum genau ein Individualbegriff zugeordnet, d.h. wenn zwei verschiedene Variablen für dasselbe Individuen vorhanden sind, die Variablen also in diesem Sinne äquivalent ($\equiv$) sind, dann haben die Individuen jeweils an dem Individualbegriff des anderen Individuums teil:


\begin{displaymath}{\cal A} \ll b^{I} ~ \dashv\vdash ~ {\cal A} \equiv {\cal B}\end{displaymath}

Hieraus folgt dann z.B.: ${\cal A} \equiv {\cal B} ~ \dashv\vdash ~ a^{I} =
b^{I}$. Die Teilhabebeziehung $\ll$ zwischen Individuum und Begriff, die durch die obigen Regeln definiert wird, ist nicht die Art-Gattungs-Beziehung. Sie ist etwa vergleichbar mit der Elementbeziehung der Mengenlehre im Vergleich zur Teilmengenbeziehung.

Die Deklaration eines Begriffes als ein Individualbegriff bewirkt also zum einen, daß man mehr über ihn weiß als über andere Begriffe, nämlich daß er existiert, logisch betrachtet also zumindest widerspruchsfrei ist, was man durch $a^{I} \not\leq 0$ ausdrücken kann. Zum anderen kann man zusätzliche Regeln anwenden, die seine Unteilbarkeit bewirken. Ein Individualbegriff ist z.B. oberer Nachbar des widersprüchlichen Begriffes, d.h. ist $b$ ein widerspruchsfreier Begriff, der Art des Individuums $a^{I}$ ist, so ist $a^{I}$ auch Art von $b$.

Das Venn-Diagramm kennt keine Individualbegriffe oder Atome, wie sie allgemein in der Verbandstheorie genannt werden. Will man diese trotzdem berücksichtigen, so muß man neben der jeweils zusätzlichen Prämisse


\begin{displaymath}(I1)~~\vdash a^{I} \not\leq 0\end{displaymath}

die sichere Funktionalität der Venn-Diagramme ein wenig verlassen, denn man muß zusätzlich eine Regel anwenden:


\begin{displaymath}(I2)~~a^{I} \not\leq b \vdash a^{I} \cdot b \leq 0\end{displaymath}

Nach dem Eintrag aller anderen Prämissen werden alle die Zellen des Individualbegriffes gestrichen, die nicht alle ,,Sternsorten`` enthalten, die nur im Individualbegriff vorkommen. Dadurch wird die Individualität hergestellt. Dieses entspricht zunächst nicht genau der obigen Unteilbarkeits-Definition der Individualität, die etwa so ausgedrückt werden könnte:


\begin{displaymath}(I3)~~b \leq a^{I}, b \not\leq 0 \vdash a^{I} \leq b\end{displaymath}

Auf der Basis der Begriffslogik zuzüglich (I1) sind (I2) und (I3) jedoch äquivalent.



\begin{displaymath}
% latex2html id marker 5123\infer
[Kontrap.\ von\ (I2)]
...
...
{a^{I} \cdot b \not\leq 0}
{b \leq a^{I} & b \not\leq 0}
}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
% latex2html id marker 5124\infer
[Satz\ \ref{SATZ30}]
{...
...
[A2]
{a^{I} \cdot \overline{b} \leq \overline{b}}
{}
}
}
\end{displaymath}

Statt (I3) kann also auch (I2) verwendet werden, was im Venn-Programm geschieht. Die Deklaration eines Individualbegriffes bewirkt während des Programmablaufs also zweierlei: Einerseits wird eine zusätzliche partikuläre Prämisse zu den bisherigen Prämissen hinzugefügt, nämlich $a^{I} \not\leq 0$. Andererseits wird auch ein Schraffierungsflag reserviert für Schraffierungen, die möglicherweise durch (I2) bewirkt werden könnten.

Die Regeln (I1) und (I2) können ihrerseits durch die folgende Regel ersetzt werden:


\begin{displaymath}a^{I} \not\leq b \dashv\vdash a^{I} \cdot b \leq 0\end{displaymath}

(I2) ist Teil dieser Regel und (I1) erhält man einfach, indem man $b$ durch 0 ersetzt. Umgekehrt erhält man aus $a^{I} \cdot b \leq 0$ und $a^{I} \not\leq 0$ ganz einfach durch Kontraposition $a^{I} \not\leq b$.


Durch die Anwendung der zusätzlichen Regel (I2) geht die Reihenfolgeunabhängigkeit der Prämissen (in diesem Fall der Individualbegriffsdeklarationen) verloren, die bisher die Venn-Diagramme charakterisierte. Um dieses zu kompensieren wird die Prozedur so oft angewendet, bis keine Änderungen (weitere Streichungen) mehr auftreten, höchstens jedoch $i$ mal ($i$ ist die Anzahl der vorkommenden Individualbegriffe), denn dann kann es keine Änderungen mehr geben.

Der Aufwand ist $i^{2} \cdot 2 \cdot O(N)$, also $O(N)$. Der Konklusionentest für eine Individualbegriffsdeklaration läuft darauf hinaus, daß auf die totale Identität mit einer Individualbegriffsdeklaration aus den Prämissen geprüft wird.


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Andreas Otte
1998-11-22